Archiv der Kategorie: Spieleabende

01.04.2015: Altes, Neues und Ungeborenes

Warum hieß der gestrige Sturm eigentlich „Niklas“?

Dass die Tief- und Hochdruckgebiete Namen haben, wurde erst 1990 in der Bevölkerung so richtig wahrgenommen, als der Orkan „Wiebke“ über Deutschland wütete, und die Medien sich groß und breit darüber ausließen. Seit 1954 werden diese Namen in Deutschland vom Meteorologischen Institut der Freien Universität Berlin vergeben.

Zu Wibkes Zeiten hatten alle Tiefs noch weibliche Vornamen. Ab 1998 wurde diese Namensvergabe als eine Frauendiskriminierung betrachtet und ein jährlicher Wechsel von weiblichen und männlichen Vornamen beschlossen.

2015 waren mal wieder die Männer an der Reihe und für den vierzehnten Sturm des Jahres wurde „Niklas“ festgelegt. Und der war jetzt gestern am Ruder. Wer will, kann für € 379,61 eine Namenspatenschaft übernehmen. Bei Niklas war das ein Herr Niklas Meyer aus Lübeck. Die Paternschaft für das einundzwanzigste Tief dieses Jahres , das mit dem Buchstaben „U“ beginnt, wird per Ebay versteigert! (Das ist kein Aprilscherz!)

Stürme im nördlichen Atlantischen Ozean (nicht zu verwechseln mit deutschen Tiefs) werden durch das National Hurricane Center der Vereinigten Staaten benannt. Dafür wurden sechs verschiedene Namenslisten zusammengestellt, in denen sich männliche und weibliche Vornamen streng abwechseln. Die Listen werden wrap-aroung verwendet, 2015 war wieder die Liste 1 dran, und der Name des vierzehnten Sturm darin heißt „Nicholas“. (Namen von Stürmen, die aufgrund ihrer Sachschäden oder Opferzahlen sehr schwerwiegend waren, können durch die World Meteorological Organization aus den ewigen Listen gestrichen werden.)

Dass der vierzehnte Berliner mit „Niklas“ und der vierzehnte Amerikaner mit „Nicholas“ den nahezu gleichen Namen tragen, ist mehr oder weniger zufällig, schließlich wechseln die Berliner ja nur jährlich zwischen Männlein und Weiblein, die Amerikaner aber von Sturm zu Sturm. Der nächste Deutsche wird Oskar heißen, die nächste Amerikanerin Odette.

Das sechszehnte Tief und der sechzehnte Sturm heißen nach beiden Tabellen wieder gleich: Peter! Hallo Peter, blase schon mal Deine Backen auf, damit Du uns und der Welt lange genug in Erinnerung bleiben wirst. Du musst Deine allergrößten Kräfte ja nicht unbedingt in München rauslassen!

1. “Medici”

Seit 1998 auf dem Markt, vier Jahre später zum ersten Male am Westpark gespielt und im Jahresabstand noch zwei weitere Male. Nach Luding ist die aktuelle Auflage aus dem Jahre 2007 immer noch käuflich.

Ein ausgereiftes Auktionsspiel mit abstrakten Karten. Die Karten zeigen einfache Zahlen von 1 bis 5 in fünf verschiedenen Farben. Die Spieler ersteigern die Karten in Paketen, bis jeder pro Durchgang genau fünf Stück davon hat. Dann werden die Siegpunkte verteilt. Für jede Karte einer Farbe steigt ein Spieler in der entsprechenden Farb-Kategorie um eine Stufe nach oben. Wer in einer Farbe am höchsten steht, bekommt 10 Siegpunkte, der Zweite bekommt 5. Der Dritte und alle weiteren gehen leer aus. Hier kommt es also darauf an, bei wenigen Farben an der Spitze zu stehen und nicht überall ein bisschen beteiligt zu sein.

Zusätzlich wird gewertet, wer in der Summe die höchsten Kartenzahlen ersteigert hat. Hierfür gibt es Siegpunkte in der Staffelung 30-20-10-5. Neben der richtigen Farbwahl ist es also auch lukrativ – höchst lukrativ – , sich hohe Zahlenkarten zu ersteigern.

Doch das Spiel hat noch einen dritten Pfiff: Für die Versteigerung ist reihum jeweils ein Spieler verantwortlich, der nach beliebigen Gutdünken ein, zwei oder drei Karten vom verdeckten Stapel als Paket auf die Börse wirft. Die Mitspieler geben im Uhrzeigersinn je ein Gebot dafür ab, und am Ende entscheidet er, ob er dem meistbietenden Mitspieler die aufgedeckten Karten überlässt oder ob er sie – um einen Dollar mehr – selber ersteigert. Die Anzahl schon ersteigerter Karten ist ein Handicap beim weiteren Bieten, denn jeder darf nur maximal fünf Karten erwerben. Wer z.B. schon drei Karten in Besitz hat, kann nicht mitsteigern, wenn ein Paket von drei Karten aufgerufen ist. Kleiner Pfiff, aber immerhin.

Peter wurde Sieger und zeigte mit Stolz auf seinen dreifarbigen Kartenbesitz, wo er in zwei Farben kein einziges Geld und Gut verschwendet hatte.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Moritz blieben bei ihren schon vor zehn Jahren vergebenen 7 Punkten (uralt, hat sich aber nicht ausgespielt; mit wenig Mitteln viel erreicht), Peter blieb bei seinen 8 Punkten und Walter hob seine früheren 6 Punkte jetzt auch auf 7.

2. “Parade”

Parade : Anlegen und Nehmen von Karten
Parade : Anlegen und Nehmen von Karten
Ein kleines, hübsches Kartenspiel, bestehend aus je elf Zahlenkarten mit den Werten 0 bis 10 in sechs verschiedenen Farben. Jeder Spieler hat fünf Karten auf der Hand und legt legt reihum eine beliebige davon an das rechte Ende der Parade-Reihe. Anschließend muss er eine definierte Anzahl von Karten aus der Parade-Reihe nehmen und als Minus-Karten offen vor sich auslegen. Der Rest der Parade wird wieder zusammengeschoben.

Welche Karten muss man nehmen? Einfache Logik, trotzdem haben alle Mathematiker unter uns erst einige Fehltritte getan, bis sie das Prinzip verinnerlicht hatten.

  1. Links von der neu angelegten Zahlenkarte sind soviele Karten “geschützt” (d.h. sie brauchen nicht genommen zu werden), wie die Zahl auf der gelegten Karte angibt.
  2. Von den “ungeschützten” Karten müssen alle Karten der gleichen Farbe genommen werden.
  3. Von den “ungeschützten” Karten müssen alle Karten genommen werden, deren Zahl kleiner oder gleich der neu ausgelegten Karte ist.

Nach seinem Zug zieht der Spieler vom verdeckten Stapel eine Karte nach. Ist der Stapel aufgebraucht, so ist das Spiel zu Ende. Jeder Spieler legt noch zwei beliebige Karten aus seiner Hand zu seinen angesammelten Minus-Karten, dann wird gewertet. Von den Farben, in denen ein Spieler die Mehrheit hat, zählt jede Karte einen Minus-Punkt. Von den anderen Farben zählt jeder Zahlenwert entsprechend viele Minuspunkte.

Welche Freiheitsgrade hat ein Spieler bei seinen Aktionen?

  • Er kann immerhin aus 5 Karten wählen, welche er auslegt. Würde nur ein einziger Zug gespielt, so wäre es allerdings absolut trivial (wenn auch kein no-brainer) zu bestimmen, welches hier die beste Karte ist.
  • Ein Spieler kann versuchen, Kartenpflege zu betreiben, um für das dicke Ende möglichst viele, gute Optionen zu haben. Das beißt sich natürlich ein bißchen mit der obigen Einzel-Zug-Optimierung. Außerdem ist “Kartenpflege” hier wohl eher ein beschönigender Ausdruck, denn es gilt nicht, eine vollständige, bekannte Kartenhand zu optimieren, sondern eine zukünftige Kartenauswahl, deren Zusammensetzung weitgehend vom Zufall bestimmt und deshalb unbekannt ist.
  • Er kann vorausberechnen (vorausahnen, blindwütig vorauserraten – siehe oben unter “Kartenpflege”), von welcher Farbe er wohl die meisten Karten bekommen wird, und möglichst immer hier zuschlagen. Das ist aber nur eine Nebenstrategie zur Einzel-Zug-Optimierung.
  • Er kann alle Karten sichten, die irgendwo ausliegen (bei sich, in den Minus-Stapeln der Mitspieler, in der “Parade” und in seiner eigenen Hand), und er kann daraus ermitteln, welche Karten er noch nicht kennt, die dann (zum Teil!) noch nachgezogen werden; er kann die Züge der Mitspieler auswerten, um daraus zu schließen, welche Farben sie wohl favorisieren; er kann für jeder Farbe analysieren, wie groß seine Chancen sind, hier Mehrheiten zu bekommen; er kann … Aber das gilt alles nur für Genies, nicht für Normalsterbliche.

Im Grunde ist alles weitgehend unberechenbar. Wenn Walter solche Eindrücke als Faktum oder sanfte Kritik äußert, hakt Günther sehr gerne ein und bringt “Bridge” als Gegenbeispiel, das doch ganz ähnlich sei, und das doch als berechenbar gilt. Entschuldige bitte, lieber Günther, hier spricht ein Blinder von der Farbe! Ich bitte alle Großen Denker unter den Freunden der Westpark-Gamers um konkrete Hinweise, wie man

  • mit hohen, mittleren oder niedrigen Karten
  • der verschiedenen Farben
  • von denen man keine, einige oder schon viele Karten
  • mit niedrigen oder hohen Zahlenwerten in seinem Minus-Besitz angesammelt hat
  • unter Berücksichtigung der Auslage der Mitspieler
  • und den – teilweise – bekannten Restkarten im Nachziehstapel

umgehen soll. Ich weiß es nicht. Ich schlage vor, bei jedem Zug lediglich mehr oder weniger nach der Einzel-Zug-Logik vorzugehen. Das ist fast noch spielerisch, und damit kann man zumindest noch Vorletzter werden. Ujj – jetzt sehe ich gerade auf der Siegerliste: wie hast Du, Peter, denn das fertig gebracht, auf dem Platz zu landen, wo Du gelandet bist … ?

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spielprinzip ist ein bisschen sperrig, das Kartenhandling auf dem Tisch etwas mühsam), Günther: 6, Peter: 6 (langweiliges Überlegen, macht nicht wirklich Spaß), Walter: 6 (nicht lustig, bedingt pseudo-intellektuell)

3. “Nobiles”

In Aarons Neuentwicklung wurden einige lästige Nebenzweige im Regelwerk zurechtgeschnitten und der Rest wieder stärker auf die Grundidee des Spiels ausrichtet: auf den Kampf um Mithilfe oder Behinderung beim Lösen von gemeinsamen Aufgaben, um hinterher als politisch Engagierter am Erfolg beteiligt zu sein oder als Nicht-Engagierter den Politikern die leichten Lorbeeren aus dem Rachen zu reißen.

Kooperation wird benötigt, und dazu in jedem Fall auch – die am Westpark verpönte – Diplomatie. Es erhob sich wieder die Frage, ob Absprachen über gemeinsames Vorgehen grundsätzlich eingehalten werden müssen, oder ob man jeden mündlich vereinbarten Kuhhandel auch platzen lassen darf. In Spielen über wenige Runden ist das eine durchaus problematische Fragestellung.

Wenn einer dazu aber noch so irrational Harakiri spielt, wie heute der Gastgeber, dann wird jegliche – unabgesprochene – Planung über den Haufen geworfen. Peter schlug als Punkt in der Spielregel vor: „Walter darf nicht mitspielen.“

Aaran fragte sich: „Ich weiß nicht, was ich von dem Spiel halten soll, wenn Günther total abkackt.“ Immerhin hat Peter gewonnen, und das ist zweifellos ein positiver Hinweis auf die intellektuelle Ausrichtung und Planbarkeit des Spiels.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

4. “Bluff”

Frage: Wenn Du im 1:1 Endspiel einen Stern unter dem Becher hast, und Dein Kontrahent mit 1 mal die Fünf anfängt, was tust Du dann? Anzweifeln bringt nichts. Du musst auf … jawohl … 2 mal die Fünf erhöhen. Mit etwa zwei Drittel Wahrscheinlichkeit hast Du verloren.

Schlussfolgerung: Wenn Du im 1:1-Endspiel eine Eins, Zwei oder Drei gewürfelt hast, dann setze auf 1 mal die Fünf und hoffe auf einen Stern beim Gegenüber. Du hast sogar auch dann gewonnen, wenn er eine Fünf gewürfelt hat. (Oh Gott, dass ist ja Günthers Immer-5-Strategie!)

Nachdem Walter diese Schlussfolgerung aus dem Endspiel von Aaron und Peter gezogen und notierte hatte, war er mit 1:1 im Endspiel gegen Aaron und bekam eine Drei unter dem Becher. Er begann mit 1 mal die Vier, Aaron hob auf 1 mal die Fünf und das war es dann auch.

Merke:

  1. Es ist immer schwer, aus eingefahrenen Gleisen auszubrechen, besonders wenn dahinter liebgewordene Gewohnheiten und Theorien stecken (Immer-4-Strategie).
  2. Es ist leichter, eine Theorie zu notieren als sie zu befolgen.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

25.03.2015: Kuren in Orleáns

Jeden Samstag verschickt Walter eine Einladungsmail an die Westpark-Gamers: „Wer ist am kommenden Mittwoch dabei?“ Spätestens bis zum Sonntag Abend trudeln die Antworten ein. Manche lauten lapidar: „Ich“! Zuweilen wird auch der Name genannt: „Aaron“! Andrea meldet sich meist zaghaft: „Ist zufällig noch ein Plätzchen frei, ich könnte nämlich dabei sein“, obwohl die Plätze grundsätzlich nach dem „first in“-Prinzip vergeben werden und bei einer oberflächlichen Auszählung der Antwort-Mails die freien Plätze offensichtlich sein sollten. Moritz gebraucht ebenfalls sehr gerne den Konjunktiv: „Ich würde kommen“ schreibt er, ohne dass es bei ihm einen Grund für das „würde“ gibt; ohne Wenn und Aber heißt das geradewegs: „Ich komme“.

Unser Sprachengelehrter Peter hat uns heute erklärt, dass diese – eigentlich – überflüssige „würde“ ein Modalwort ist, mit denen die deutsche Sprache reichlich gesegnet ist. Wie keine weitere Sprache der Welt (außer unserem holländischen Dialekt). Das „würde“ ist überflüssig, drückt aber ein gewisse Höflichkeit oder sogar eine Emotionalität aus. Wenn die Mutter das Kind beim Abschied fragt: „Hast Du auch nichts vergessen?“, so liegt in diesem Satz durch das „auch“ viel mehr Anteilnahme drin, als ohne es. Wie drückt man das im Englischen aus? Der seelenlose BING-Übersetzer vereinfacht die Frage zum „Did you forget anything?“ Aber da fehlt doch was!

Ich habe in meiner Sammlung von Grimms Märchen in verschiedenen Sprachen nachgeschaut, wie professionelle Übersetzer im „Tischlein deck dich“ die besorgte Frage des Vaters übersetzen: “Ziege, bist Du auch satt?“ Den Engländern fällt hier wiederum nichts anderes ein als “Goat, hast thou had enough?”. Hübsch, aber das „auch“ fehlt. Ebenso bei den Franzosen: “Chèvre, es-tu repue?”.

In einer wunderschön bebilderten, aber sprachlich eher mageren ungarischen Ausgabe lautet die Frage sogar ganz unverschämt kurz: „éhes?“ (hungrig)? Und die Antwort „rettenetesen!“ (schrecklich)! So kann „man“ mit unserem wunderschönen Verslein „Ich sprang nur über Gräbelein und fand kein einzig Blättelein“ auch umgehen. – Es lebe das schöne deutsche Modalwort!

1. “Orléans”

Rainer Stockhausen ist ein fleißiger Spieleautor. Bei Luding findet man von ihm vierzehn verschiedene Spiele, allein aus diesem Jahrtausend. Am Westpark haben wir erst zwei von ihm gespielt. Mit „Orléans“ lag diesmal das dritte, sein neuestes Werk bei uns auf.

Peter in Orléans
Peter in Orléans

Im Regelheft wird kein einziges Wort über den geschichtlichen Hintergrund verloren. Das ist auch gut so. Es ist eh alles Schmarren, was die Redakteure hier zusammenfaseln. Der Name Orléans bürgt für sich, und die drei Personen auf dem Titelbild, Mönch, Ritter und Bauernmagd, ebenfalls.

Jeder Spieler platziert die eigenen Arbeiter (in der Startaufstellung hat jeder vier, im Laufe des Spiels werden es immer mehr und immer verschiedenere) auf die unterschiedlichen Wirkstätten in seinem persönlichen Spielertableau und läßt sie werkeln:

  • Ein Schiffer und ein Handwerker erzeugen eine Bauernmagd
  • Ein Händler, ein Handwerker und eine Bauernmagd erzeugen einen Gelehrten
  • Ein Händler und ein Gelehrter erzeugen einen Mönch
  • Ein Schiffer, ein Handwerker und eine Bauernmagd erzeugen einen Schiffer, einen Handwerker oder eine Bauernmagd
  • Und was dergleichen Homo-, Hetero- oder Polygenesen mehr sind.

Mit neuen Mitarbeitern gewinnen wir nicht nur mehr Arbeitskraft, mit ihnen sind auch erkleckliche Nebenvorteile verbunden, u.a. gehört dazu ein schnelleres Recyclen unserer Arbeiter, sowie ein Fortschreiten auf der Faktor-Leiste, nach der am Ende unser Besitz an Häusern in Siegpunkte umgerechnet wird.
Die Herausforderung des Spiels besteht darin

a) mit dem richtigen Timing neue Mitarbeiter der richtigen Qualifikation zu erzeugen, um damit

b1) mehr Geld (= Siegpunkte) zu bekommen und/oder

b2) eine Effizienz-Steigerung seiner Aktionen zu erzielen und/oder

b3) sich zu bewegen und dann

c1) siegpunktwerte Rohstoffe von der Strecke aufzulesen und/oder

c2) siegpunktträchtige Häuser zu bauen.

Überall sprudeln Siegpunkt-Quellen. Als Anfänger steht man vor dem Spiel wie ein Lucullus in der Pralinenabteilung vom Dallmayr. Als Fortgeschrittener steht man immer noch da. Es gibt zu viel, und es ist nicht zu überblicken, welche Weichenstellung uns die besten Strecken eröffnet. Bemerkenswert, dass unser professioneller Orléanist Günther nur ganz knapp gewann und dass Peter, unser zweites Denkergenie, unter uns restlichen drei Anfängern der Letzte wurde.

Überall ist ein bißchen Konkurrenz verbunden. Wenn die Mitarbeiter einer Sorte aus sind, gibt es keine mehr; vor allem können dann auch keine Vorteile in den Nebenstrecken mehr erworben werden. Gerade richtiger Zufall ist ebenfalls eingebaut. Einzelne Arbeitsplätze werden für eine Runde geschlossen, für aktuelles Besitztum werden Prämien gezahlt oder Abgaben fällig oder man verliert Arbeiter oder. Günther traf es gleich am Abend zweimal hart, und er verlor seinen klügsten und tüchtigsten Nachwuchs, sonst hätte er wohl höher gewonnen.

Das Spielmaterial ist gefällig, alles funktioniert, alles ist gut abgestimmt, alles greift ineinander, alles ist konstruktiv. Alles. Ja, alles, leider! Zu konstruktiv und zu gleichförmig konstruktiv!

WPG-Wertung: Aaron: 6 („Es reißt mich nicht vom Hocker), Günther: 7 (gegenüber den Rosenbergschen Aufbauspielen ein bißchen klarer), Peter: 7 (unterhaltsam, wenn auch kein Spitzenspiel), Walter: 6 (eigentlich alles rund und schön, aber bei der Vielzahl gleichmächtiger Siegpunktquellen stellt sich keine richtige Spielspannung ein)

2. “Pandemic: The Cure”

Mal wieder ein Kooperationsspiel, diesmal mit tausenden von Würfeln. (Genauer gesagt: mit 85 Stück.) Das bemerkenswerte Aaron-6-Punkte-Karten-Brettspiel „Pandemie“ wurde mit „The Cure“ zu einem WPG-4-Punkte Würfel-Brettspiel „heruntergedampft“.

48 der 85 Würfel sind ganz normale Hexa-Würfel in vier Grundfarben stellen Krankheiten dar. Regelmäßig werden drei bis fünf Stück von ihnen ausgewürfelt und auf insgesamt sechs Regionen verteilt, die den Augenzahlen zugeordnet sind. Sobald auf einer Region von einer Farbe mehr als drei Würfel liegen, bricht eine Epidemie aus, die sich unverzüglich auf die Nachbarregionen ausbreitet, und wenn dort auch schon genügend Würfel der infizierten Farbe liegen, geht es so weiter, bis entweder die Infektionswelle gebrochen ist oder die Spieler das Spiel verloren haben.

Jeder Spieler hat fünf bis sieben individuelle Spezialwürfel, mit denen er die Krankheiten bekämpfen kann / muss. Die verschiedenen Würfelseiten erlauben ihm,

  • sich in eine beliebige der sechs Regionen zu bewegen, wo er seine weiteren Aktionen durchzuführen gedenkt
  • einen Krankheitswürfel zu kurieren (zurück in den Tausend-Würfel-Vorrat)
  • einen Krankheitswürfel in den zentralen Behandlungsraum zu transportieren
  • einen Krankheitswürfel aus dem zentralen Behandlungsraum in sein privates Forschungslabor zu bringen.

Unabhängig von unserem Würfelergebnis dürfen wir weiterhin:

  • die Krankheitswürfel aus unserem Forschungslabor an einzelne Mitspieler weiterreichen
  • mit ausreichend vielen Krankheitswürfeln in unserem Forschungslabor versuchen, ein Heilmitteln gegen die Krankheit auszuwürfeln.

Gelingt es uns, gegen alle vier Krankheiten ein Heilmittel auszuwürfeln, bevor achtmal eine Epidemie ausgebrochen ist, haben wir – alle – gewonnen. Andernfalls verloren. Auf jeden Fall endet das Spiel. Gott-sei-Dank. Walters einziger teilnahmsloser Genuss war es, sich zu vorgerückter Zeit von Peter spielen zu lassen. (Hallo Peter, das war jetzt wirklich absolut positiv gemeint!)

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mag keine Kooperationsspiele, doch wenn sie relativ kurz sind, kann er so ein Spiel tolerieren), Peter: 6 („Es ist ein gutes Spiel, weil es knapp ist“, würde es aber nicht häufiger spielen wollen), Günther: 4 (es ist nicht wirklich gut, eher öde; vielleicht als Solospiel geeignet), Walter: 3 (eindimensionaler, dröger Würfelrausch ohne jeglichen Pfiff)

3. “Bluff”

Günther war mit einem Würfel im Endspiel gegen Aaron mit deren zwei. Er hatte einen Superwurf, einen Stern unter dem Becher. Was und wie sollte er damit anfangen?

Unser Immer-5-Stratege sah nur die beiden Möglichkeiten „1 mal die Fünf“ oder „2 mal die Fünf“! Mit seiner – gar nicht so schlechten! – Immer-5-Strategie hätte diesen Durchgang sogar gewonnen. Doch er wurde übermütig. Oder wollte er nur den Stier bei den Hörnern packen? Jedenfalls war seine Vorgabe „2 mal die Fünf“ genau das, was es – diesmal nicht nur wegen Aarons magerer Zwei und Vier unter dem Becher – ist: ein frivoler Selbstmord!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

18.03.2015: Akademie der Knappinnen

Und Gott der HErr sprach: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. – Man wird sie Männin heißen, darum dass sie vom Manne genommen ist.“ (1 Mose 2, 18)

Was ist bloß aus dieser einstmaligen „Männin“ geworden! Es gibt kaum einen Helfer in der Welt, der seinen Herrn und Meister so vollständig hinweggefegt und die Herrschaft an sich gerissen hat. Der Name des HErrn sei gelobt!

1. “Nobelinnen”

In der heutigen 5er Runde verzichtete Autor Aaron beim Test seines neuen 4-Personen-Spiels auf einen Startplatz und Männin Andrea konnte zum ersten Mal in die Tiefen von Ostfriesland, Island, Grönland oder Neuland eintauchen. Nach Vorschlag von Argentum wurde das Spiel um einen Durchgang verkürzt – von uns zuerst skeptisch aufgenommen, dann aber einstimmig so akzeptiert: jetzt ist es jetzt gerade richtig lang und gerade richtig taktisch.

Bekanntermaßen wird am Westpark anders gespielt als in normalen „braven“ Runden. Kein einziges Mal wurden heute die Herausforderungen erfüllt, kein einziges Mal konnte eine Mitspielerin die Häuptlings-Provision einstreichen. Dafür sorgten schon die drei männlichen Mitspieler, die je einmal die Verräterin einsetzten und damit die Erfüllungshürde in unerreichbare Höhen setzten. Nur unsere Männin verhielt sich hier konstruktiv zurückhaltend. „Jönne könne“ ist ihr als Kölnerin schon von Geburt an auf die Seele gebunden worden.

Moritz gewann mit Günthers Markt-Strategie: sich total aus der Politik raushalten, eine Geld-Generierungs-Combo aufbauen und dafür auf Teufel komm’ raus Siegpunkte kaufen. Am Ende hatte er mehr Siegpunkte als alle anderen zusammen. Die Effizienz dieser Strategie muss reduziert werden, denn politisches Lavieren gehört zur Grundidee des Spiel, ohne die man – eigentlich – nicht gewinnen können sollte. Problem erkannt und auch schon beseitigt.

Trotz des weiteren Bedarfs an Feintuning dürfen wir heute schon für Spannung, Interaktion, für die vielen Strategie- und Taktik-Möglichkeiten und die hohe Freiheitsgrade im Handlungsspielraum unsere Vorschusslorbeeren vergeben.

WPG-Wertung: Keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Medieval Academy”

Kampf in der Akademie
Kampf in der Akademie

Eine Amerikanerin hat schon prognostiziert, dass dieses Spiel das „Spiel des Jahres 2015“ werden könnte. Aber wenn Amerikanerinnen ein Spiel hoch einschätzen, dann … Aaron hat es in Essen auf Anhieb gefallen und er hat es mitgebracht.

Wir sind Knappinnen und müssen uns in sieben Turnierdisziplinen bewähren. Die Disziplinen heiße offiziell Galanterie, Lanzenstechen, Turnierkampf, Gralssuche und so weiter, aber im Prinzip ist alles das gleiche: Auf jedem Turnierplatz hat jede Spielerin je eine Pöppelin stehen und muss sie über die sechs Runden des Spiels weiter vorwärts bewegen als die Konkurrenz.

Bewegen tun wir uns mittels Bewegungskarten, die mehr oder weniger zufällig ausgeteilt werden, und die uns erlauben, auf jeweils einem fest vorgegebenen Turnierplatz zwei, drei, vier oder fünf Schritte vorwärts zu gehen. Flexibilität wird uns geboten, weil wir von den fünf uns zugeteilten Bewegungskarten nur viel ausspielen; die letzte bleibt ungespielt. Theoretisch könnte jede Spielerin gleich zu Beginn einer Runde diejenige Karte auswählen, die sie nicht spielen will, und die anderen Bewegungen alle unverzüglich durchführen. Damit hätten wir wenigstens den Freiheitsgrad 4. (Falls wir – mit Glück – keine gleichen Karten auf der Hand haben.) Da aber die schlechteste Karte unserer Hand recht eindeutig bestimmt ist, ist unser praktischer Freiheitsgrad deutlich niedriger als 4. Fast in der Größenordnung von 0 (Null)! Sechs Spielzüge mit einem Freiheitsgrad zwischen 0 und 4, und das Spiel ist zu Ende! Für ein „Spiel des Jahres“ wäre das sicherlich ein Rekord!

Da wir aber andersherum vorgehen müssen und peut-a-peut die vier tatsächlichen Bewegungskarten ausspielen, dauert das Spiel länger, das, was sich auf den einzelnen Turnierplätzen abspielt, wird spannender wahrgenommen, und wir bekommen die Suggestion, das ganze sei interaktiver. Dabei nimmt unser Freiheitsgrad von Zug zu Zug nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch ab, bis auf den Wert 1 oder 0!

Noch ein Wort zur Zufälligkeit beim Austeilen der Bewegungskarten: Hier ist tatsächlich noch ein Quäntchen Einflussmöglichkeit gegeben. A la „7 Wonders“ bekommen wir pro Runde fünf Karten ausgeteilt, dürfen davon aber nur jeweils eine behalten und müssen den Rest an unsere Nachbarin weitergeben. Viermal weiterschieben und weitergeschoben-bekommen, dann liegt unsere Kartenhand fest. Damit wird zwar der blinden Zufällin ein Riegel vorgeschoben, der einäugigen Zufällin aber keineswegs.

Günther brachte das Spielprinzip auf die Formel: „60% Zufall, der Rest ist Gaudi.“ Zweifellos für Achtjähriginnen (nach Empfehlung des Verlages).

WPG-Wertung: Aaron: 7 (schnell, unkompliziert, macht Spaß), Andrea: 7 (überdurchschnittlich kurzweilig, interaktiv), Günther: 7 (locker, mit einem bisschen [WS: positiven?] Ärgerfaktor), Moritz: 7 (locker, nicht verbissen, auch nicht wahnsinnig originell, genau in die Richtung von „Spiel des Jahres“), Walter: 5 (repetitiv, hat kein Thema, hat kaum Freiheitsgrade)

PS: Die Siegpunkt-Erträge auf jedem Turnierplatz werden per Siegpunkt-Marker an die Spielerinnen ausgegeben. Wer auf einem Platz als Letzterin oder Vorletzterin landet, bekommt dafür u.U. auch Marker für Minuspunkte.
Spieltipp für Expertinnen: Diese Minuspunkte kann man im wahrsten Sinne des Wortes leicht „unter den Tisch fallen lassen“!

3. “Bluff”

Mit seinem „besten Move“ konnte Moritz auf einen Streich alle männlichen Konkurrenten rauskicken und das 5:3-Endspiel gegen seine Männin einläuten. Es endete 3:0 für den Mann.

Im zweiten Spiel kam Andrea mit zwei Würfeln gegen Aaron mit einem Würfel ins Endspiel. Aaron ließ sich mit einer Fünf unter dem Becher zu Günthers Immer-5-Strategie verleiten. Doch Andrea konterte mit einem Doppel-Walter (sowohl unter dem Becher als auch als Ansage) und entschied so das Spiel zu ihren Gunsten.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

PS: Liebe Andrea, bei allen In- und Innen-Formulierungen bist Du explizit NICHT gemeint!

11.03.2015 Männer darf man sehen, aber nicht hören

Immer noch fassungslos über die nicht autorisierte Änderung meines Artikels über die Spiele-Autoren-Zunft, grüble ich darüber, warum eigentlich die geschlechtsneutrale Verwendung von „Autor“ weniger politisch korrekt ist als die durch Verwendung eines „Binnen-I“ verhunzte Form „AutorInnen“. Interessant, dass sich das Bundesministerium der Justiz damit auseinandergesetzt hat und in seinen „Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften“ schreibt:  „Der Text muss so formuliert sein, dass er auch dann verständlich ist, wenn er vorgelesen wird.“ Also liebe Genderfreunde, wie genau macht man das beim Binnen-I?

1. Nobiles

Die neuste Version lag auf dem Tisch. Diesmal mit einigen wesentlichen Änderungen. So gibt es jetzt ein Aufbauelement, das neue Strategien ermöglicht und dadurch das Spiel spannender macht.

Peter, der sonst eher meine Prototypen-Tests mit einem knappen „broken“ kommentiert, verblüffte am Ende mit der Aussage: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“ Gemach, es gibt noch viel zu tun.

WPG-Wertung: keine Wertung für ein Spiel in der Entwicklung

2. The Manhattan Project

Nachdem Walter es kategorisch abgelehnt hatte, ein Spiel mit diesem Thema jemals auf seinem Spieltisch zuzulassen, nutze Günther die Gelegenheit und brachte „The Manhattan Project“ bei Peter auf den Tisch während Walter zum Enkelhüten abkommandiert war.

Mit drei Sorten Arbeitern und klassischen Worker Placement Mechanismen erschaffen wir jeder für sich eine kleine Maschine, die aus Rohstoff (Yellow Cake) und Geld angereichertes Uran und Plutonium herstellt, um damit letztendlich Atombomben zu bauen. Auf einem großen Spielplan konkurrieren wir um Geld, Rohstoffe, Arbeiter und Ausbauten. Letztere legen wir in unsere persönliche Auslage. Hier können wir weitgehend ungestört von den anderen Spielern unsere Waffenproduktion aufnehmen. Weitgehend deshalb, weil böse gesonnene Mitspieler gerne mal mit ihren Bombern unsere Fabriken plattmachen wenn wir nicht genügend Abfangjäger bevorratet haben. Das kostet den Angreifer seine Bomber und uns die Abfangjäger und Geld zur Reparatur der Fabriken. Also außer Spesen nix gewesen – für beide Seiten.

Läuft unsere Uran- und Plutonium-Produktion rund, können wir bald die erste Atombombe bauen. Je nach Größe bringt die unterschiedlich viele Siegpunkte. Wer zuerst Bomben für 60 Punkte gebaut hat, beendet das Spiel und ist Sieger.

Wie gut die Produktion läuft, steht und fällt mit den zur Verfügung stehenden Minen, Universitäten und Fabriken. Und hier offenbart sich eine große Schwachstelle des Spiels: Abgesehen von einer vorgegebenen Startaufstellung erscheinen alle weiteren Ausbauten rein zufällig und nur dann, wenn Ausbauten gekauft werden. Hatten wir hier die Karten schlecht gemischt? Jedenfalls trat schon bald der Zustand ein, dass in der Auslage der Ausbauten keine interessanten Karten mehr lagen. Dem Autor muss dies wohl bewusst gewesen sein und er hat als Gegenmittel eine „Anreicherung mit Geld“ der billigsten Karte eingebaut. Nur dauert es leider seine Zeit, bis damit eine unattraktive Karte so attraktiv wird, dass sich ein Spieler sich ihrer erbarmt (und damit den anderen Spielern eine neue, vielleicht gute Karte freigibt). Wieviel einfacher (und besser?) wäre es gewesen, wenn am Ende einer Runde die billigste Karte einfach verschwindet wenn keiner etwas aus der Auslage gekauft hat.

Letztendlich dümpelte das Spiel 2 Stunden vor sich hin bis Günther seine 60 Siegpunkte zusammen hatte und das Spiel beendete. Vielleicht spielt sich „The Manhattan Project“ in einer 4er-Runde besser, weil mehr Kartenumsatz da ist. Vielleicht haben wir auch nicht alle Facetten des Spiels erkannt, wer weiß. So jedenfalls hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen.

Ach ja, das Thema: Ich denke mal, die verwendeten Mechanismen hätten auf jedes beliebige Produktionsthema abgebildet werden können. Autos, Joghurt oder Drogen, alles hätte funktioniert. Warum mussten es gerade Atombomben sein? Genau, damit Walter ein gerade noch mittelmäßiges Spiel erspart bleibt!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (nix Neues, zu viel Zufall), Günther: 6 (der hat gewonnen), Peter: 4 (beliebig)

04.03.2015: Chaos vs. Mitspielerchaos

Das „Gendern“ der Sprache im öffentlichen Raum wird immer emsiger vorangetrieben. So gibt es in NRW ein Gesetz, alle Begriffsbildungen mit „Studenten“ in „Studierende“ zu verwandeln, z.B. wird „Studentenwerk“ zum „Studierendenwerk“. Mein Gott, welch’ ein Fortschritt!

Diese Woche gab es im deutschen Fernsehen eine Podiumsdiskussion, wo sich ein Genderei-Vertreter doch tatsächlich zu der Behauptung verstieg, es gäbe einen BIOLOGISCHEN Unterschied zwischen Mann und Frau! Wo hat er denn diese Weissheit aufgeschnappt? Da bin ich fast 40 Jahre mit einer Frau verheiratet und habe noch nichts davon gemerkt. Der psychische Unterschied zwischen uns wird mir hingegen täglich schmerzvoll bewußt, wenn sich meine Frau über Krümel auf dem Fußboden (nicht auf dem Bettlaken!) aufregt, die ich dann mit dem Staubsauger beseitigen soll … Vive la difference!

Die Genderei hat jetzt auch die Westparker, zumindest unseren Aaron, getroffen. Er hat einen Artikel für das „institut fuer bibliotheksorganisation, bibliotheksentwicklung und lesepaedagogik“ geschrieben und bekam prompt als Antwort zurück: „Gemäß den Vorgaben unseres Trägers, des Landes Steiermark, sind wir dazu angehalten, Texte zu gendern. Ich habe mir daher erlaubt, mit dem Binnen-I bzw. der Anführung der männlichen und weiblichen Form dem Folge zu leisten.“

Dieses Ansinnen und seine Ausführung hat bei ALLEN von uns reichlich Entrüstung ausgelöst. Andrea, eines unserer wenigen Weibchen, brachte es auf den Punkt: „Don’t gender, be original, dear Aaron!“

1. “Nobiles”

Weitere Balancierungsarbeiten an Aarons Eigenentwicklung. Es gibt eine Menge unterschiedlicher Strategien (vielleicht schon zu viele?), die alle erfolgreich sein sollen:

  • Startspieler-Tricksereien vs. letztes Zünglein an der Waage sein
  • Konstruktives Mithelfen vs. destruktive Knüppel zwischen die Beine werfen.
  • frühes oder spätes Politikerwerden, auf Biegen oder Brechen
  • Siegpunkte kaufen statt sie zu erarbeiten oder erpolitisieren.
  • sich total auf den politischen Endkampf in der letzten Runde konzentrieren, wo nochmals die Hälfte aller Siegpunkte ausgeschüttet werden, und davon dem Häuptling der weitaus größte Teil in den Schoß fällt.

Es gibt viel zu denken und zu rechnen. Nicht nur die eigenen Züge müssen langfristig überlegt werden, es gilt auch noch abschätzen, welchen Absichten wohl die Mitspieler verfolgen und in welche Richtung sie ihre Aktivitäten entfalten werden. Die aktuelle Version ist nur bedingt ein Aufbauspiel. Diesmal kamen ihre diplomatischen Seiten deutlich ans Tageslicht. Und am Ende entscheiden ganz wenige, im Details nicht vorhersehbare Gegebenheiten über den Sieg. Walter gebrauchte hierfür etwas abwertend das Wort „Chaos“, was beim Autor natürlich erhebliches Stirnerunzeln hervorrief. Für Günther hingegen ist „Mitspielerchaos“ eine absolut positive Eigenschaft eines Spiels. Die Formulierung „nicht-beherrschbar“ brachte eine tragfähigen Kompromiss.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Die Staufer”

Fünf Spiele von Andreas Steding gibt es schon in unserer Wertungsliste. Mit „Hansa Teutonica“ hat er auch schon ein „Spiel des Monats“ bei uns gelandet. Jetzt hat unser HiG-minded Günther Stedings erstes HiG-Spiel bei uns lanciert.

Die Staufer
Die Staufer: Der König in Milano

Es wird vielleicht nicht jeder wissen, aber die Könige des Mittelalters hatten keinen festen Wohnsitz, sondern zogen von Pfalz zu Pfalz, von Aachen bis Palermo, und mit ihnen der ganze Hof. So gibt es auch in „Die Staufer“ einen König, der von Pfalz zu Pfalz zieht und sein Gefolge, unsere Pöppel, sind stets um ihn herum. Hier nehmen sie für all ihren Unternehmungen ihren Ausgang. Das zum Thema. Aaron machte uns den Moritz und fand es etwas dünn. Ist aber nicht so wichtig, Hauptsache, die Mechanismen stimmen.

Wir bewegen unsere Pöppel von Pfalz zu Pfalz um die stauferische Welt herum, belegen mit unseren Kavenzmännern die dicken Positionen und mit normalen Pöppeln die Positionen für die Normal-Sterblichen. Für die Bewegung brauchen wir Bewegungspunkte, die uns in Personalunion mit unseren Pöppeln vorliegen, und die uns entsprechend bald ausgehen. So müssen wir bei unseren Zügen ständig darauf achten, neue Pöppel resp. Bewegungspunkte zu rekrutieren. Dies geschieht einmal durch „Schatztruhen“, die jedem Feld, auf das wir unsere Pöppel setzen, beigeordnet sind, und die uns verschiedene Vorteile, u.a. auch neue Pöppel einbringen. Zum anderen geschieht das, indem wir uns gar nicht bewegen, sondern uns stattdessen Nachschub aneignen, der vorzugsweise aus neuen Pöppeln besteht. Wer als Erster an einem Nachschub-Feld andockt, bekommt hier als Prämie auch noch eine Schatztruhe mit weiteren Vorteilen.

Pöppel sind immer knapp. Haushälterisch mit diesen Resourcen umzugehen, ist eine Grundvoraussetzung für gutes Spiel.

Ja, und warum bewegen wir uns in der Stauferwelt? Nach jeweils drei Zügen ist eine Spielrunde zu Ende, und eine definierte Pfalz wird gewertet. Wer hier die meisten oder die höchstrangigen Felder besetzt hat, bekommt eine erkleckliche Anzahl von Siegpunkten. Der Zweite bekommt auch noch was. Der Dritte geht in einer Dreierrunde leer aus.

Neben der definierten Pfalz wird eine weitere, aus dem Spielablauf (Mitspielerchaos) heraus bestimmte Pfalz gewertet, z.B. diejenige, die noch die meisten Schatztruhen enthält, oder diejenige, in der die meisten Pöppel stehen.

Nach fünf Runden ist das gesamte Spiel zu Ende, und jeder Spieler erhält noch Sonderpunkte für drei verschiedene Arten von Aufträgen, die jeder zu Spielbeginn ausgeteilt bekam, z.B. wenn seine Pöppel in einer vorgegebenen Pfalz die meisten / höchstrangigen Plätze besetzen, oder wenn seine Pöppel auf dem Spielfeld in einer bestimmten Konstellation stehen.

„Die Staufer“ bieten reichlich Gelegenheit zu Optimierungsrechnungen. Für die eigenen Ziele muss rechtzeitig das notwendige Potential erworben und folgerichtig eingesetzt werden; zugleich müssen dabei die Möglichkeiten und Absichten der Mitspieler scharf im Auge behalten werden. (Genau wie bei „Nobiles“!) Vielseitig, spielerisch und – fast – unbeherrschbar.

Sehr viele Gedanken hat man sich über die Reihenfolge gemacht, nach der in jeder Runde die Spieler ihre drei Züge machen dürfen. Doch gerade WEIL man sich hierüber Gedanken gemacht und eine neue Lösung angeboten wurde, war Walter aufgebracht über einen grundsätzlichen Konstruktionsfehler. Wer als Erster einen Nachschub-Zug tut, kann sich den besten Nachschub-Zug aussuchen, bekommt obendrein noch eine Schatztruhe und ist in der nächsten Runde wieder Startspieler! Wer also Startspieler ist, darf als Erster den besten Nachschub-Zug tätigen und bleibt deshalb auch noch Startspieler, so dass er in jeder Runde den besten Zug bekommt! Das kann kein gutes Prinzip sein! Dieses Prinzip wäre sogar schlecht, wenn der erste Nachschub-Zug der schlechteste wäre und die anderen der Reihe nach immer besser würden! In diesem Fall wäre der Startspieler in jeder Runde benachteiligt!

Das Prinzip wäre tragbar, wenn die Bewegungszüge deutlich besser wären als die Nachschub-Züge, so dass sich alle Spieler erst mal dort austoben, bis irgendwann mal die Waage kippt, und auch die Nachschub-Züge lukrativ würden. Das ist aber nicht der Fall. Besonders in den ersten Runden ist der Nachschub lebenswichtig und unvermeidbar, so dass sich alle Spieler hier engagieren müssen. Es ist eine logische Fehlleistung, dass hier der erste Bevorrechtigte das ganze Spiel über der erste Bevorrechtigte bleibt. Q.e.d!

Als HiG-Nibelunge musste Günther hier natürlich widersprechen. Er lobte – ganz abstrakt – die Vorteile der Bewegungszüge, als hätte er sie selber erfunden. Nein, meine Lieben, HiG hat hier ganz einfach geschludert. Ich nehme jetzt mal an, dass dieser Zugreihenfolgbestimmmechanismus (ZRBM) im Laufe der Entwicklung vom Verlag, nicht von Autor erfunden wurde!

WPG-Wertung: Aaron: 7 (schöne Elemente, aber nicht ganz mein Spiel: es gibt ZU VIEL zu beachten), Günther: 8 (habe es jetzt zum dritten Mal gespielt, finde es immer noch ein super Spiel; ständige Interaktion, viele Gewinn-Alternativen), Walter: 6 (schönes Spiel, vielseitig und konstruktiv, 1 Punkt Abzug wegen des bescheuerten ZRBM. Ich möchte das Spiel als Letzter in der Zugreihenfolge nicht noch einmal spielen!).

25.02.2015: Petersburger Adel

Risiko – Die Ukraine

Wilhelm und „Der Postillon“ haben es empfohlen (siehe www.der-postillon.com/2015/02/hasbro-bringt-brettspielklassiker.html), und wir haben sofort zugeschlagen: Spiel der Saison 2014/15, die Risiko-Variante „Ukraine“. Entwickelt vom Autoren-Kollektiv Rumsfeld, Gates, Panetta, Hagel und Carter, zur Serienreife gebracht von der bewährten Zugreiftruppe des CIA. Es geht darum, durch Strategie, Tricks, Vortäuschungen und Anschuldigungen die Zustimmung aller Mitspieler zu erhalten, um eine Region unter seinen Einfluss zu bekommen, seinen Nachbarn zu eliminieren und als Alleinherrscher den Rest der Ära zu dominieren.

Ein Spaß für die gesamte Völkerfamilie. Danke, lieber Wilhelm, für Deinen Tipp.

Keine WPG-Wertung für ein globales Kooperationsspiel mit einem individuellen Spieler als einzigem Sieger.

1. “Das neue Sankt Petersburg”

Natürlich wird „Sankt Petersburg“, zur Zeit auf Platz 17 unserer 1000 Einträge umfassenden Rangliste, immer eines der spielerischen Highlights am Westpark bleiben, egal, wie oft es auf den Tisch kommt. Aaron und Günther waren unter den 1262 Unterstützern, die eine Wiederauflage dieses Klassikers ermöglicht haben. Günther ist zudem einer der 279 Tester, die im Regelheft von HiG namentlich erwähnt werden.

Er ist es auch, der die Produkte dieses Hauses bei uns vernehmlich propagiert und den – unbestritten – HiG-minded Tenor unsere Spielergruppe anführt. Doch unbestritten ist die auch Qualität der Produkte dieses Spieleverlages. Wenn hier z.B. 279 Tester aufgeführt werden, dann sind das keine Leute, die mal eben an Holzklötzchen und Schachtel gerochen haben, sondern da steckt ehrliche Auseinandersetzung mit dem Spiel und seinem Regelwerk dahinter. Dies wird später in der bekannten Reife aller Produkte dieses Hauses sichtbar. HiG-minded zu sein, spricht nicht gegen die Objektivität eines Spieler, eher dafür.

Heute haben wir uns nochmals die sechs neuen Module der überarbeiteten Sankt-Peterburg-Version vorgenommen und uns ein ansprechendes Mix daraus ausgesucht.

„Die Hürden“ haben uns letzte Woche schon sehr gut gefallen. Sie zwingen die Spieler zu einer Diversifizierung ihrer Kartenhand. Es genügt jetzt nicht mehr, sich zufällig oder gewollt auf eine einzige Kartenart zu stürzen, die mittels Rabatt dann auch noch immer billiger wird; um bestimmte Siegpunktschwellen überschreiten zu dürfen, muss man jetzt von jeder Kartenart eine Mindestanzahl auf der Hand zu haben.

Günther und Walter vergaßen etwas leichtfertig auf die Upgrader-Hürde bei Punkt 35 zu achten. Vollgespickt mit Siegpunkte-Potential aus ihren erworbenen Bauwerken standen sie dann ohne ausreichende Upgrader vor dieser Schranke, durften nicht darüber, und mußten massig Punkte in den Wind schreiben. Nur Aaron hatte aufgepaßt und zog hier frohlockend davon. Kein Wunder über seine Wertung: “Die Hürden sind das Beste im Spiel.”

Doch bevor Günther in Sankt Petersburg geschlagen wird, muss wohl noch viel Wasser die Isar hinabfließen. Trotz mehrmaligen Fluchens über verpasste Chancen und verfehlte Planungsziele gelang es ihm durch geschicktes Kapital- und Lager-Management am Ende acht verschiedene Adelige auf die Beine zu stellen und mit den daraus resultierenden 36 Siegpunkten seine beiden Mitspieler zu deklassieren.

Zu zwei anderen Modulen: „Die Aufträge“ sind überflüssig. Gezielt oder zufällig bekommt man am Ende für erworbenes Besitztum zusätzliche Siegpunkte. Alle ungefähr gleich viel. Zuviel Aufhebens um zu wenig Effekt. „Die Ereignisse“ hingegen sind gute Effektwandler, die in allen bisherigen Strategien eingesetzt werden können, kurzfristig einen Engpass beseitigen helfen bzw. Schicksalsunbilden abwenden können. Wenn man sie tief verinnerlicht hat, kann man sie sogar planmäßig für taktische Vorteile nutzen, aber soweit waren wir heute noch nicht.

Keine neue WPG-Wertung für ein sehr gutes Spiel.

2. “Nobiles”

Petersburger Adel bei Nobiles
Petersburger Adel bei Nobiles

Aarons Eigenentwicklung stand weiter auf dem Prüfstand. Günther versuchte wieder die Geldschiene, d.h. unberührt von Naturkatastrophen und Politik kaufte er seine Steuervorteile bei der Commerzbank ein. Sehr erfolgreich.

Aaron setzte konsequent auf den Häuptling, der für Erfolg im Kampf gegen Katastrophen fürstlich belohnt wird. Viermal schaffte er es, einmal überließ er Walter das Scheitern des Häuptlings und in der vorletzen Runde durfte kurzfristig Günther mal eine handvoll Lorbeeren ernten. Es reichte zum knappen Zweiten. Wahrscheinlich hätte er Günther die vorletzten Lorbeeren nicht so kampflos überlassen sollen.

Walter schwelgte noch in alten Strategien verflossener Versionen, in dem neu balancierten Räderwerk kam das einem Blindflug gleich. Entsprechend waren seine Ergebnisse. Bei den „Nobiles“ (oder wie immer das Spiel später heißen wird) kommt es nicht darauf an, im ruhigen Fahrwasser mitzuschwimmen, sondern scharf die Quellen für Siegpunkte auszumachen und sich hier ranzuhalten. Das ist auch gut so, vorausgesetzt, im Spiel gibt viele erfolgsversprechende Quellen. Das scheint in jedem Fall gegeben zu sein. Auch wenn bei jeder Umdrehung an den Balancierungs-Rädchen die Quellen an anderen Stellen zu sprudeln beginnen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

18.02.2015: Fünfundzwanzig Räume in Sankt Petersburg

Moritz hat dieses Jahr einen leibhaftigen Faschingsorden bekommen. In Bonn, von der dortigen Faschingsgarde (wie immer man sie dort nennt), für die „Rhapsody in Blue“ (von ihm gespielt, nicht komponiert), überreicht vom Oberbürgermeister der Stadt und mit einem Kuß der Faschingsprinzessin garniert. Direkt auf den Mund. Moritz hat seitdem sein Gesicht nicht mehr gewaschen!

Da soll einer nochmal sagen, dass die klassische Musik tot ist. Ist Gershwin etwa kein Klassiker? Und Moritz kein herausragender Exponent der E-Musik?

1. “Das neue Sankt Petersburg – der Markt”

Highlander in Sankt Petersburg
Highlander in Sankt Petersburg

Hans-im-Glück hat für den bereits zehn Jahre alten Klassiker eine komplett überarbeitete Neuauflage herausgebracht. Neben dem bereits in der Original-Version verdienten Bernd Brunnhofer hat sich jetzt auch der geniale „Macher“ Karl-Heinz Schmiel über die Regeln hergemacht.

Geblieben sind die Karten für Handwerker, Bauwerke, Adelige und Upgrader, geblieben sind die Wertungsphasen für Einnahmen und Siegpunkte, die Rabatte bei Kauf von gleichartigen Karten und die enormen – quadratisch wachsenden – Prämien für viele Adelige.

Wesentliche Neuerungen sind:

  • gelbe Marktkarten, die einerseits Geld einbringen, mit denen man sich aber vor allem Majoritäten in fünf verschiedenen Warensorten erwerben kann, die Runde für Runde mit Siegpunkten belohnt werden
  • insgesamt sechs neue “Module”, die in beliebiger Anzahl und Mixtur in den Spielablauf hineingenommen werden können und neue Spielvarianten erzeugen.

Wir spielten mit den „Hürden“: dies sind Kärtchen, die bestimmte Kriterien vorschreiben, die man erfüllt haben muss (z.B. mindestens 2 Bauwerke zu besitzen), wenn man eine definierte Höhe in der Siegpunktleiste überschreiten möchte. Zusätzlich werden für wohldefinierten Besitz an Siegpunkten verschiedentlich Prämien ausgeschüttet, die man bei einer scharfen Kalkulation seiner Geldmittel unbedingt in Ansatz bringen sollte.

Walter bekam gleich in der ersten Runde eine billige gelbe Kohlkopf-Karte, kurz danach auch noch ein paar Tomaten, die ihm sieben Runden lang die Majorität beim entsprechenden Gemüse bescherten, die entsprechenden Siegpunkt-Prämien einbrachten und ihn sechs Runden lang das Feld anführen ließen. In der Schlusswertung schlug „Wer schon?“ mit 6 Adeligen zu, die ihn mit ihren 6 * (6+1) / 2 = 28 Spiegpunkten mit großem Abstand an die Spitze katapultierten.

Das neue „Sankt Petersburg“ ist wie das alte eine gelungene runde Schöpfung. Alle Spieler sind ständig im Spielgeschehen involviert, es ist spannend, konstruktiv, mit dynamisch wachsendem Entwicklungspotential. Es gibt eine Menge Konkurrenz im Einkauf und Besitztum, und es gibt vielerlei ganz unterschiedliche Schienen, um das Spiel zu gewinnen. Und ein wohldosierter Zufall sorgt dafür, dass keine Schiene eindeutig über alle anderen dominiert. Anpassung ist gefragt. Spielerische Anpassung, und das ist doch schon ein erhebliches Qualitätsmerkmal.

Für die Berücksichtigung der neuen Spielelemente in Sankt Petersburg müsste unsere Karten-Analyse www.westpark-gamers.de/Artikel/petersburg_analysis.html total überarbeitet werden. Doch die Analyse war bisher schon reichlich windschief. Wir lassen das.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (auch das alte „Sankt Petersburg“ bekommt einen Punkt weniger; noch einen halben Punktabzug für das mickrige Gimmick), Günther: 9 (empfielt zum StP-Einstieg die alte Version, doch wenn man diese bereits hundert Mal gespielt hat [oder mittels Günthers PC-Implementierung www.westpark-gamers.de/download/sp_pc.php bereits tausend Mal], dann bingt die neue Version neuen Spaß und neue Herausforderungen), Moritz: 8 (eine sorgfältige Überarbeitung), Walter: 9 (hat das alte StP bereits hundert Mal gespielt und deshalb noch mehr Spaß am neuen; besonders die „Hürden“ sorgen für mehr Durchmischung innerhalb der bisherigen Vorgehensweisen).

Bei der Herstellung des neuen Sankt Petersburg hat sich HiG das in letzter Zeit popuär gewordene Crowd-Funding Marketing-Modell zu eigen gemacht. Aaron ist als Subsribent eingestiegen und damit bitter enttäuscht worden:

Es war versprochen worden, dass alle Beteiligten vor Essen 2014 ihr Exemplar bekommen. Doch dann traten Produktionsprobleme (oder wurden vorgeschützt), so dass in Essen zwar Hinz und Kunz das Spiel erstehen und gleich nachts im Arosa ausprobieren konnten, alle Subscribenten aber immer noch leer dastanden. Wie absurd: Genau diejenigen, die das Spiel gefördert hatten, sahen in die Röhre. Ernsthafte Verwarnung für HiG.

Kurze Zeit später wurde „Das neue Sankt Petersburg“ zusammen mit „Helios“ im Doppelpak von den Heidelbergern für 25 Euro verkauft; die Subscribenten hatten für das nackte „Sankt Petersburg“ allein 38 Euro hinblättern müssen. Zweite Verwarnung und rote Karte für HiG. Oder werden im Crowd-Funding Modell alle Subscribenten grundsätzlich als selbstlose idiotische Melkkühe angesehen?

2. “Room-25”

Ein Mischung aus Robo Rally, Das verrückte Labyrinth, Puzzle und Memory. Dazu alles noch in Kooperation. Plus einem Verräter!

Wir stehen auf einer Fläche bestehend aus 25 Quadraten unbekannten Untergrundes, bewegen uns einzeln oder getrennt, blind oder sehend, ipso-mobil oder geschubst werdend, vielleicht sogar eine ganze Untergrundreihe rundummadumm verschiebend von Quadrat zu Quadrat und entdecken so Stück für Stück das gefährliche Terrain unter unseren Füßen. „Flutkammern“ blockiern, „Säurebäder“ lösen uns auf, „Todeskammern“ eliminieren uns früher und „Fallenkammern“ später. All diese topologischen Unbilden sollten wir bei unseren Streifzügen vermeiden, bis wir Raum-25 entdeckt haben.

Jetzt bekommt das Spiel eine radikale Wende. Es geht nicht mehr darum, Neuland zu entdecken (zum Glück gibt es auch nicht-tödlichen Untergrund), sondern alle Spieler müssen so schnell wie möglich zu diesem Raum-25 kommen und diesen Raum dann aus dem Spielfeld herausschieben. Innerhalb von fünf Runden muss das geschafft sein, sonst haben alle verloren. Dies ist dann eine verzwickte Puzzle-Aufgabe, bei der alle mitdenken: Wer soll in welcher Reihenfolge wohin gehen, wer soll welche Reihen verschieben, über welche Winkelzüge können wir tödlichen Quadraten ausweichen um das gemeinsame Ziel zu schaffen. Gemeinsames, gründliches Planen und hoffentlich fehlerloses Ausführen.

Doch damit das Ganze nicht zu einem rationalen No-brainer verkümmert, ist einer der Mitspieler der Verräter. Vom Zufall dazu bestimmt gewinnt er, wenn die anderen die Flucht nicht schaffen. In der Entdeckungsphase tut er so unschuldig wie ein Lamm, freut sich über jedes gute Feld und über jedes Entkommen vor einem bösen Feld. Und in der Endphase schiebt er ein einziges Mal die ihm zugewiesene Untergrundreihe in die falsche Richtung, und die gesamte Planung ist im Arsch, die gemeinsame Rettung steht in den Sternen und der Sieg ist beim Teufel.

Zum Glück (d.h. zufälligerweise) war in unserem Spiel keinem die Verräterrollte zugeteilt worden. So konnten wir die Rettungsphase ohne Zwischenfälle durchstehen. Aber jedem war klar, dass jeder der Mitspieler mit einem einzigen Verräterzug unweigerlich alle Guten hätte scheitern lassen können. Das ist die Crux in „Room-25“. Einige hübsche Kooperations-Ideen und Aufgaben, die am Ende aber nicht funktionieren.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (Multi-Player-Puzzle, Arbeit und Schweiß, Knobelspiel, aber eines der schlechtesten), Günther: 4 (nur 4, obwohl ich Knobelspiele mag, aber es gibt andere Sachen, die ich lieber knobele), Moritz: 5 (das Spielmaterial ist schön, mir fehlt Flair; auch bei BGG wurde beschrieben, dass die Aufgabe ohne Verräter zu leicht und mit Verräter zu schwer ist), Walter: 4 (eine gewisse topologische Herausforderung, doch es fehlt Reife und Balance).

3. “Bluff”

Im 1:1 Endspiel gegen Moritz gab der Immer-4-Stratege Walter 1 mal die Fünf vor. Moritz zögerte mit seiner Antwort, da deckte Walter – um das Ende abzukürzen – mit der Bemerkung „Ich zweifele jede weitere Angabe an“ freiwillig seinen Becher auf. Wirklich, es war eine Fünf darunter. Moritz druckste noch eine Weile herum, bevor er aufgab.

Günther bezweifelte die Sinnhaftigkeit von Walters Aufdecken. Hatte er damit seine Gewinn-Chancen vermindert?

Mit 2/3 Wahrscheinlichkeit hatte Moritz eine Eins bis Vier unter seinem Becher und damit unweigerlich verloren. Mit 1/3 Wahrscheinlichkeit hat er eine Fünf oder einen Stern unter dem Becher, setzt – einzige sinnvolle Alternative! – auf 2 mal dieFünf und hat damit unweigerlich gewonnen.

Günthers Kritik wurde zurückgewiesen, die Zurückweisung aber noch nicht vollständig eingesehen. Dabei war Walters Vorgehen doch schon exakt in Günthers ureigener Immer-5-Strategie beschrieben worden. Q.e.d.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

11.02.2015: Wieder Höflinge in der Eisenbahn

1. “North American Railroad”

Peer Sylvesters Eigenkonstruktion (siehe Bericht von letzter Woche) lag noch einmal auf dem Tisch, diesmal mit dem entscheidenden Regelverständnis, dass jeder Spieler Aktien oder Städte-Verbindungen nicht nur aus der untersten Reihe einer 7 mal 4 Matrix wählen darf, sondern aus den untersten Karten jeder Spalte. (Hätten da erfahrene Spieler nicht von selber draufkommen können …? Bei einem so renommierten Spiele-Autor wie Peer konnte unser voriges Falschverständnis doch wohl nicht wahr sein!)

So gibt es für alle Spieler sehr viel mehr Auswahlmöglichkeiten, und die Reihenfolge, in der die Aktien- und Städte aus den jeweiligen Matrizen abgebaut werden, ist längst nicht so durchsichtig.

Als alter Empire-Builder legte sich Walter sofort für 1000 Dollar eine stolze Linie zu. Ein Signal für die Mitspieler, hier einzusteigen und entweder dem Präsidenten weitere m,äßig-teure Aktien reinzudrücken oder selber mit anerkennenswerten Preisen an einer guten Linie beteiligt zu sein. Noch dazu unter Übernahme der Präsidenten-Gewalt. Leider war das keine gute Taktik.

Sehr viel besser kam Horst weg, der sich für billiges Geld zwei kleine Linien zulegte, die wegen ihrer finanziellen Impotenz von allen Mitspielern mehr oder weniger bemitleidet wurden. Keiner wollte sich hier beteiligen, und wenn unbedingt eine seiner Aktien neu in Umlauf gebracht werden musste, da boten die Mitspieler niedigste Preise, um ja nicht selber daran beteiligt zu werden. So bekam Horst am Ende von beiden Linien je fünf der sechs Aktion für billiges Geld in die Hand. Und als am Ende auch noch der Aktienbesitz – unabhängig vom Streckennetz der Linien – in barer Münze ausgeschüttet wurde, war er der Sieger. (Unter Vernachlässigung der 100 Dollar, mit denen Günther am Ende noch die Nase vorn hatte.)

Ja, was hat Günther richtig gemacht? Zunächst reizte er den Präsidenten Aaron mit angetäuschten Beteiligungen und besserte so seine Kasse auf, bevor er selber ins Geschäft einstieg. Im Mittelspiel war er bei allen nennenwerten Gesellschaften der Mehrheitsaktionär. Der sichere Sieger, wenn nicht, wie gesagt, der lange bemitleidete Horst ihn auf der Zielgeraden noch um Haaresbreite (fast) verdrängt hätte.

Das Spiel ist ein reines Finanzmanagement und thematisch ziemlich trocken, wenn man überhaupt von Thema sprechen kann (Aaron); doch es hat – besonders für Kaufleute! Oder welches ist die Zielgruppe, lieber Peer? – durchaus einen gewissen Unterhaltungsfaktor (Horst). Wesentliches Element ist die Preisknobelei (Günther), ob gut oder schlecht, das sei hier mal dahingestellt. Die hier schlummernden mathematisch-statistischen Geheimnisse (Walter) dürften für eine Weile noch eine lohnenswerte Herausforderung sein.

Eine etwas größere Variabilität (vielleicht sogar etwas mehr Gerechtigkeit!) in den Kosten/Nutzen-Relationen der Städteverbindungen wäre zu überlegen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Nobiles”

Argentum ist bei Aarons „Nobiles“ eingestiegen und hat auch schon ein Reihe von Regeländerungen vorgeschlagen. Wir habe sie getestet. Die Dynamik der Effekte ist deutlich gestiegen. Dem Startspieler bieten sich jetzt eine Reihe von super-guten Zügen (mit zwei- bis dreifachem Ertrag gegenüber den Normal-Zügen), mit denen das Darben in den Materialen wie Geld oder Resourcen wurde deutlich abgemildet wurde.

Bleibt noch auszubalancieren, wie der Knalleffekt, mittels dessen der „Häuptling“ in der letzten Runde mit einem Schlag noch mehr als Hälfte seiner Siegpunkte machen kann, in eine solche Größenordnung dimensioniert wird, dass die anderen, braven, geduldigen Strategien mit den Rahmeneffekten des Spiel nicht allzu sehr in den Hintergrund gedrängt werden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

04.02.2015: Sex, sieben, acht

Wie sexy ist Ostfriesland? Aus bayrischer Sicht mindestens so sexy wie Dortmund, das demnächst das größte Zweitligastadion der Welt besitzt. Aber wahrscheinlich bringt selbst das kleinen guten Klang in die Landschaft. „Carcassonne“ in Südfrankreich muss es schon sein, oder „Puerto Rico“ auf den Jungferninseln. Selbst das kalte „Sankt Petersburg“ scheint aus Marketing-Gesichtspunkten heraus sexy zu sein. Warum nennen wir ein Spiel mit Hexawürfeln oder hexa Würfeln nicht direkt gleich „Immer Sex“! Oder, Moritz schlug das vor, weil es einen so schönen Sprachrhythmus hat: „Immer Sex van achteren“. Beeinträchtigt solch ein Titel etwa die Verkaufserfolge in den Vereinigten Staaten?

1. “Nobiles”
AaronMoritzGuentherNobiles
Aarons zweite Eigenentwicklung ist unter Dach und Fach. Der Argentum-Verlag hat wieder zugeschlagen und sich die Rechte daran gesichert. Wenn alles gut geht, sollte es dieses Jahr in Essen herauskommen.

Nur ein knappes Jahr hat Aaron daran gearbeitet. Am 19. Februar 2014 lag es erstmals bei uns am Westpark auf dem Tisch. Damals schrieben wir: „Gegensätzliche Interessen von Bürgern und Nobiles beim Besiegen der Elemente, sowie eine Semi-Kooperation und Semi-Konkurrenz innerhalb der freien Aktionen der Mitspieler sind die Leitmotive des Designs. Doch bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.“

Das Leitmotiv des Designs wurde konsequent umgesetzt, an der Balance wird immer noch gedreht. Auch das heutige Spielen am Westpark diente dem Feintuning. Vereinigtes konstruktives Vorgehen sollte von Fall zu Fall von Erfolg gekrönt sein, doch ein durchdachtes, überraschendes Einsetzen des destruktiven Potentials sollte ebenfalls lustvolle Siegpunkte abwerfen können.

Auch das Umschwenken vom Dienst an der Front zum Absahnen in der Etappe sollte nicht allzu leicht vonstatten gehen. Vorausplanung, rechtzeitig ausreichend Mittel ansammeln und sich im Endspurt mit einem Knalleffekt an die Spitze setzen, so sieht der ideale Spielablauf bei den „Nobiles“ aus. Drei Stunden lang haben wir mitgedacht, mitgeplant und kritisiert. Noch ist die Ideallinie nicht gefunden, aber Argentum sucht jetzt mit.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “North American Railroads”

Als eine „1830“-Variante ohne Strecken stellte Aaron diese Eigenentwicklung von Peer Sylvester vor. Es geht um Aktien von Eisenbahn-Gesellschaften und um den Ausbau ihrer Strecken. Wer dabei am reichsten wird, gewinnt.

Die insgesamt 28 Aktien von fünf Gesellschaften liegen in zufälliger Reihenfolge in vier Spalten zu je sieben Zeilen auf dem Tisch. Wer am Zug ist, darf sich aus der untersten Zeile bedienen. Er wählt davon eine beliebige Aktie aus.

  • Ist von dieser Gesellschaft noch keine Aktie verkauft, so kann er sie für einen beliebigen Preis kaufen und wird damit Präsident der Gesellschaft. Das Geld bekommt die Gesellschaft, um später damit ihr Streckennetz zu finanzieren.
  • Ist von der gewählten Gesellschaft bereits mindestens eine Aktie verkauft, und ist der aktive Spieler selber Präsident dieser Gesellschaft, so kostet die Aktie einen festgesetzten Preis; die Hälfte des Geldes bekommt die Bank, die andere Hälfte die Gesellschaft.
  • Ist ein Mitspieler Präsident der gewählten Gesellschaft, so nennt der aktive Spieler einen beliebigen Preis, den er für die Aktie zu zahlen bereit ist. Der Präsident hat dann die Wahl, die Aktie für den genannten Preis selber zu erwerben, oder er muss sie an den aktiven Spieler verkaufen. In jedem Fall bekommt die Gesellschaft die Hälfte des Verkaufspreises; die andere Hälfte geht an die Bank oder aber an den aktiven Spieler, der als Käufer verschmäht wurde.

Jetzt werden die Städte angeschlossen. Sie stehen ebenfalls in einer zufälligen Auslage von 4 Spalten zu je 7 Reihen zur Auswahl, kosten eine variable Menge Geld und bringen später der Gesellschaft eine ebenfalls variable Menge an Einnahmen. Wie bei den Aktien wählt der aktive Spieler aus der untersten Reihe eine beliebige Stadt und ordnet sie einer der Gesellschaft zu, von der er Aktien hat. Die Stadt gilt sofort als angeschlossen, es werden keine Strecken gebaut oder benötigt.

Als letztes kassiert jede Gesellschaft ein Einkommen, das sich aus den Prämien für die angeschlossenen Städten ergibt. Das Geld wird gleichmäßig unter alle Aktienbesitzer aufgeteilt. Schnell, einfach und einfältig.

Peer hat uns sein Spiel mit der Aufgabe zugeschickt, darin vielleicht eine Killer-Strategie entdecken können. Was ist das? Ist das eine Strategie, die den Gegner killt oder die das Spiel killt? Oder beides zugleich? Setzt „Strategie“ nicht eine gewisse Handlungsfreiheit voraus? In “North American Railroads” müssen wir sowohl bei den Aktien, wie auch bei den Städten eine Karte „aus der untersten Reihe der Auslage“ wählen. Der erste Spieler hat hierbei immerhin eine Auswahl von 1 aus 4. Der zweite Spieler nur noch eine Auswahl 1 aus 3; der vierte Spieler aber nur noch 1 aus 1. Da bleibt nicht mehr viel zu killen übrig. Die geringe Auswahl hat das Spiel von alleine gekillt. Oder haben wir etwas falsch gemacht, lieber Peer?

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

28.02.2015 Egging in the ‘hood

In kleiner Besetzung fand grippebedingt der letzte Spieleabend bei Moritz im Münchner Dreimühlenviertel statt. Dafür war die Altersspannweite der Spieler dort außergewöhnlich hoch: 55% eines ganzen Jahrhunderts!

1. Dragonscroll

Die Essen-Neuerscheinung der Lamont Brothers hatte sich Aaron zugelegt, weil er endlich auch ein Fragor-Spiel besitzen wollte, alleine schon wegen der aufwändig gestalteten Spielfiguren. In Essen gab es wie immer nur die vorbestellten Exemplare, so dass die angereisten Mitglieder der Lamont-Familie bereits am zweiten Tag ohne Spiele da saßen und sich bei schottischem Whiskey auf das Socializing beschränkten.

Wie erwartet, zeigte sich „Dragonscroll“, von der Ausstattung abgesehen, von der spielerisch eher schlichten Seite. Wir ziehen Landschaftskärtchen und erzeugen damit ein Gebiet aus Weiden, Wäldern und Gebirgen in denen sich gefährliche Zauberer, Ritter, Orcs, Elfen, Zwerge und … Ziegen tummeln. Okay, die Ziegen sind nicht wirklich gefährlich, obwohl sie sich als Schafe verkleidet haben und wir dürfen sie daher ohne Kampf einfach so verspeisen.

Beim Kampf dagegen verwenden wir unsere Feuerbälle und versuchen, die Bösewichte damit zu erwischen. Spieltechnisch werfen wir dazu eine Anzahl Holzkugeln (Feuerbälle) in den „Flammenden Turm des Todes“ und hoffen, dass sie auf der Seite des Turms wieder zum Vorschein kommen, auf der unsere Gegner abgebildet sind. Bald zeigte sich, dass bei uns die Vorderseite des Turms deutlich bevorzugt wird und damit die Orcs am einfachsten zu besiegen waren. Erst bei Spielende stellte sich heraus, dass das wohl Absicht ist, denn von den Orcs muss man für die gleiche Siegpunktzahl deutlich mehr besiegt haben als von den anderen Gegnern. Welche Gegner für einen selber besonders interessant sind, legt die zu Beginn des Spiels geheim an jeden Spieler verteilte Schicksalskarte fest.

„Dragonscroll“ spielt sich locker und ist durch seinen hohen Glücksanteil auch familiengeeignet. Leider ist die etwas sperrige Spielregel nicht jedermanns Sache und schreckt sicherlich den einen oder anderen Familienspieler ab. Gefallen hat uns der Mechanismus für die Sonderaktionen in jedem Zug, weniger gut fanden wir, dass die große Anzahl von Schriftrollenkarten im Spiel nicht wirklich von Bedeutung waren, da sie recht selten erfüllbar sind (oder haben wir nur zu viel Pech mit dem Flammenden Turm gehabt?).

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen

2. Egging

Moritz legte danach das Spiel „Egging“ auf den Tisch, das er von einem seiner Studenten(?) geschenkt bekommen hatte. Etwas skeptisch schauten wir auf das selbstgebastelte Spielmaterial mit Lauffeldern, Würfeln und vielen Karten.Egging

Wie sich schnell herausstellte, ist „Egging“ aber kein „Trivial Persuit“- oder „Mädn“-Klon sondern ein Spiel, das das Leben eines zeitgenössischen Komponisten versucht mit einem Augenzwinkern zu simulieren. Letztendlich geht es darum, bei Spielende die meisten Kompositionspunkte erworben zu haben. Ob das nun durch die Teilnahme an Wettbewerben, dem Veröffentlichen von Experimentalstücken oder dem Schreiben von Streichquartetten oder Opern für die ganz dicken Punkte geschieht, bleibt jedem selbst überlassen. Voraussetzung ist immer der Erwerb von Techniken und das Sammeln von Inspiration, ob nun bei der GEMA(!), im Untergrund oder an der Hochschule. Taktische Optionen gibt es genug.

Wie Moritz versicherte, ist der Autor kein Spieler. Deshalb ist es sehr bemerkenswert, wie hier ein recht kurzweiliges Spiel entstanden ist, das auch noch recht ausbalanciert erscheint. Spaß hat es auf jeden Fall gemacht, auch den Nicht-Komponisten am Tisch.

Ach ja, zum Titel des Spiels: das englische „egging“ bedeutet auf Deutsch in etwa „zu etwas anreizen“ und ist wohl ein stehender Begriff in Moritz‘ Kompositionsklasse mit Anspielung auf dessen Nachnamen.

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen

3. Lost Legacy: Binbo Tantei to Inbo no Shiro

Diese Doppelausgabe des Spiels konnte Aaron am ersten Tag in Essen noch gerade eben vor dem kompletten Ausverkaufs am „Japon Brand“ Stand erwerben. Ähnlich wie bei „Love Letter“ handelt es sich um ein minimalistisches Spiel mit nur 16 Karten. Jeder Spieler bekommt eine Karte bei Spielbeginn verdeckt auf die Hand und zieht, wenn er an der Reihe ist, eine weitere Karte nach. Dann muss er, genau wie bei „Love Letter“, eine der beiden Handkarten ausspielen und deren Aktion ausführen. Ist der Nachziehstapel aufgebraucht, kommt es zu einer Schlussrunde, in der der Reihe nach jeder Spieler einmal zeigen darf, wo die „Lost Legacy“-Karte mit dem Wert 5 liegt (im verdeckten Ablagestapel oder auf der Hand eines Spielers). „Der Reihe nach“ ist hier das wichtigste Element, denn es wird beginnend mit dem kleinsten Handkartenwert nacheinander jeder Spieler gefragt.

Das Spiel ist nur zu gewinnen, wenn man bei Spielende eine möglichst kleine Karte auf der Hand hat und im Laufe des Spiels die 5 auch schon gesehen hat. Das klingt jetzt ziemlich glückslastig und ist es auch. Aber wie bei „Love Letter“ dauert eine Runde zu wenige Minuten und damit hat das Spiel durchaus Absackerqualitäten.

WPG-Wertungen: haben wir vergessen zu erfassen